Neue Arbeiten von Monika Kropshofer
Ricarda Geib
Stuttgart, im September 2017
Sensibel berührt, öffnet, dehnt und verletzt Kropshofer die hermetisch geschlossene Bildhaut ihrer großformatigen Fotoprints und macht jeden print zum Unikat. Auf das fotografische Motiv appliziert sie breite Farbbahnen und sich schneidende Linien, die sie einsetzt, um die Gegenstandswelt sanft zu brechen. Hier paart sich die Evidenz der - meist architektonischen - Motive mit ihrer Abstraktion.
In ihrer neuen Werkgruppe bedruckt die Künstlerin lichtdurchlässige Doppelstegplatten beidseitig und lässt die ineinander verschränkten Bilder aus sich selbst heraus leuchten. Deutlich erkennbar wird hier, dass Kropshofer nicht die Mimesis interessiert. Aus der Wirklichkeit separiert die passionierte Fotografin Elemente und arrangiert sie neu, schafft Assoziationsräume, Ideengebilde, Gedankengemälde. In dezidiert malerischem Gestus unterscheiden sich die transluzenten Großformate von ihrem bisherigen Schaffen und stehen für einen dynamischen Neuaufbruch der Künstlerin.
Einer Doppelbelichtung und 180 Grad-Drehung verdankt der in Seoul aufgenommene Scyscaper seine schraubende Bewegung. Die schlichten Eingriffe verwandeln die Fassade in eine suggestiv leuchtende Spirale. Perspektivische Flächenaufteilungen suggerieren raum-zeitliche Rhythmen, deren Aufbau sich in organisch-schwingende Bewegungen verwandelt. Die Bildbewegung steigt von unten nach oben auf und breitet sich zugleich in den um die Horizontale schwingenden Farbbändern aus. In lichten Blau- und Gelb- Tönen entsteht der Eindruck eines in sich bewegten, filigranen Baukörpers; ein Bild, das statt Dauer und Eindeutigkeit die Erscheinungsweise des Flüchtigen und Wechselhaften, des Instabilen zu fixieren sucht.
In Marsala entdeckte die Künstlerin die Fassade einer Weinkellerei, deren fotografisches Abbild sie durch Spiegelung und Verschränkung der Bauteile in einen rätselhaft gedehnten und spannungsgeladenen Raum verwandelt. Fast ohne Schatten und Konturen scheint der Raum schwebend entleert, beziehungslos mit dem Himmel verschränkt - verlassen und in emblematischer Strenge verdichtet. Die Pole Schwarz und Weiß verleihen dem Spiel der Kräfte eigene Spannung, in vermeintlich geometrisch bestimmtem Raum wird Kontrolle über Chaos suggeriert.
Zucht oder Wildwuchs in der Kunst? Es sieht so aus, als ergriffe die Natur mit explosiver Kraft Besitz von einem Kleinod der deutschen Klassik. Grüne Zweige durchdringen die Säulenreihen, gelbe und grüne Farbbahnen beleuchten die ineinander verschränkten Motive. Ist das Wesen der deutschen Klassik Natur? Oder verweist die Künstlerin auf vergangenes, längst vergessenes Kulturgut, in dem nun die Natur expandiert? Tatsächlich handelt es sich um das Römische Haus in Goethes Park an der Ilm. Da die Geschichte aber unerzählt bleibt, kann über Sinnzusammenhänge dieses bizarr anmutenden Raumbildes nur spekuliert werden.
Spiegelnde wie transparente Strukturen verbinden sich in prekärer Balance zu einem seltsam bewegten Konstruktions-Gebilde mit geometrischen Chiffren, das sowohl auf der Fläche, als auch im Raum farbiges Licht zu filtern scheint. Im fotografischen Abbild fokussiert die Künstlerin den Laubengang der Bauhausbibliothek in Weimar, einen Backsteinbau. Durch Collagierung und farbliche Verschränkung verschwinden jedoch die perspektivischen Achsen und der Bau verwandelt sich in ein schwindelerregend bewegtes Szenario. Zugleich erinnert das leuchtend gelbe Kolorit in der vermeintlichen Mitte des Baukörpers an stürzende Kaskaden und lässt an die lustvollen Verheißungen der LIMONA denken – zu DDR-Zeiten wurde der Bau als Limonadenfabrik genutzt.
Die ionischen Säulen spiegeln die Bewegung der Kamera, sie werden zur Matrix des Bildes und nähern sich dem Betrachter in rhythmischer Simultaneität. Das blasse, ins Altrosa changierende Kolorit der dem Niketempel auf der Akropolis nachempfundenen Fassade (1859 von der Zarentochter als Domizil einer Lesegesellschaft errichtet) springt optisch nach vorne, die fast kontrapunktische Begegnung von Säulenordnung und farbigen Lichtimpulsen - Dauer und Flüchtigkeit - verleihen dem Bild eine eigenwillig ergreifende Poesie, die klingt wie ein Plädoyer für die unwiderbringliche Kostbarkeit eines längst vergangenen Augenblickes.
Dass solche Momente ins Sublime übersetzt werden können, beweist auch die Verschränkung des Stadtprospekts von Seoul mit der schlanken Gestalt der Brücke über dem Perlflussdelta, die schattenhaft über surreal entgleitender Bildwelt zu schweben scheint – Kropshofer collagiert Bildmotive, die sich gegenseitig zu einem unlöslichen Paradoxon perpetuieren.
Dort, wo der Bodensatz des real Geglaubten in Schwingung gerät, visuell gesicherte Bereiche zerlaufen und der Blick beginnt, Orte der Diffusion zu erkennen, setzt die Kunst Monika Kropshofer an. Ihre neuen Arbeiten thematisieren das Sehen selbst und relativieren das Sichtbare. Die Bilder aus ihrer jüngsten Schaffensphase sind beweglich und elastisch, die Bewegung jedoch entsteht im Auge des Betrachters, der nach und nach die zwischen, unter oder auf den Farbflächen sich durchdringende Motivfragmente erkennt. Ergebnis sind kompexe, vielstimmige Kompositionen, die weit über den Sehsinn hinausgehen – polyfone Malerei.