Neue Arbeiten von Monika Kropshofer
Ricarda Geib 2009
„Das Kunstwerk sollte die Augen öffnen, statt sie zu blenden”
Daniel Buren, 1975
Das Verlangen nach Experiment ist ein Charakteristikum der neuen Arbeiten Monika Kropshofers, die man in zwei Werkgruppen unterteilen kann. Voller Raffinement schiebt, wendet und zerlegt sie Perspektiven und übersetzt ihre Wahrnehmung in ein kunstvoll verwobenes neues Ganzes. Die Künstlerin verringert in ihren neuen Werken das Thematische – sie fragmentiert, reduziert und erzielt hierbei einen starken Grad an Verdichtung. Beide Serien kennzeichnet ein hohes Maß an Farbsinnlichkeit. Mit ihren lebhaften Rhythmen – Tönen, Klängen und Dissonanzen – gleichen Kropshofers neue Bilder minimalistischen Partituren einer bildgewordenen Melodie.
Die scheinbare Entmaterialisierung des Objekts ist eines der Hauptmerkmale der ersten Serie (Sequenz 6). Hier werden Kompositionen horizontal, vertikal oder diagonal gestreckt und Formate verkehrt. Linien haben nun nicht mehr die Aufgabe, Grenzen farbiger Flächen und gegenständlicher Motive anzugeben, sie sind selbstständiges Ausdrucksmittel.
In o. T. (Luxor, S6/01) setzt die Künstlerin einen Rahmen ins Bild, ein Bild ins Bild. Eingefasst in eine weiße, passepartoutartige Schablone, oszillieren schwere sandfarbene Quader aus Luxor zwischen Bild und Wirklichkeit, Fläche und Körper. Als seien einem die Kategorien von Innen und Außen entglitten, blickt man durch dieses »Fenster«, so scheint es, von einem Draußen in ein anderes Draußen. Der weißen Transparenz des »Fensters« antwortet ein blauer, perfekt undurchlässiger und darin abweisender Farbauftrag am rechten Bildrand.
Eine verlassene Außentreppe blendet Kropshofer in forcierter Nahsicht ein, ihre grauen Stufen mit den dunklen Schatten stoßen diagonal in den Bildraum vor und durchschneiden ein rotes Farbdreieck, das am rechten Bildrand ruht (S6/02). Licht schlägt in Schatten, Schatten in Licht um – optische Phänomene erzeugen Bewegung. Ein dynamisches Hin– und Her, Vor– und Zurück entsteht, wenn Kropshofer genau dieses hochformatige Treppenfragment verdoppelt und als »Diptychon« inszeniert (S6/03). Die Drehung des einen Bildes um 180 Grad verfremdet und verwandelt das Motiv. In der Begegnung der beiden Objekte verkehren sich die Verhältnisse von links und rechts, oben und unten, Rand und Mitte. Keine Treppe sondern das Bild eines immateriell wirkenden Balkens bestimmt nun die Komposition.
Kontraste sind Methode im Oeuvre von Monika Kropshofer. Auch in dieser Serie finden wir Streifenbilder von vermeintlich geometrisch ornamentaler Nüchternheit (S6/03, S6/04), doch allein der Zoom–Effekt führt zur Änderung des Blickfeldes. Weich schimmernde Farbstreifen in Gelb oder Blau laufen über kantige Stufen. Im Diptychon gleichen sie virtuellen Teppichen – »Läufern« –, geben den Stufen eine Richtung, der Treppe einen Halt. Eine letzte Ahnung von Wirklichkeit steigt im Betrachter auf – doch logische Bildinhalte sind längst außer Kurs gesetzt. Monika Kropshofer erzählt mit spielerischer Leichtigkeit wunderbar abstrakte Geschichten: Geschichten von vertikaler Staffelung, von diagonaler Aufregung und von der seltenen, aber so wohltuenden horizontalen Stille.
Vor einiger Zeit begann Monika Kropshofer, abgeschlossene Arbeiten zu zerstören, zu zerschneiden, um Fragmente ihres eigenen Werks in selbstständigen Kompositionen neu zu präsentieren. Werkgruppe II (Sequenz 7) beinhaltet Collagen. Tatsächlich verbirgt sich hinter Monika Kropshofers »Sezierkunst«, einem scheinbar destruktiven Verfahren, eine Programmatik: als wolle sich die Künstlerin ihres künstlerischen Ursprungs vergewissern, gleichen die Arbeiten einer Rückschau und sind doch ein Blick nach vorn.
Kropshofers Collagen besitzen eine semantische Mehrdeutigkeit. Sie zerlegt und verfremdet die Fotografien, durchsetzt sie mit optischen Irritationen. Verschiedene, vermeintlich nicht zueinander gehörende Realitätsstufen begegnen sich.
Das Bild einer romantischen Abendstimmung am Meer verbirgt die Künstlerin hinter einem feuchtglänzenden Gitter monumental zerschnittener Fotografien (S7/01). Rote Farbfelder drängen an römische Flachziegel, breiten sich aus und schieben schmale Uferstreifen an den Rand des Bildes (S7/05). Im räumlichen Bildgefüge der Collagen ergibt sich zwischen kalten und warmen Farben ein verwirrender Effekt, eine abstrakte Dynamik: Perspektivische Wirkungen ereignen sich im virtuellen, ja absurden Nebeneinander von Nah und Fern.
In Monika Kropshofers Marscollagen (S7/08 – S7/15) schließlich wird das Fremde, Ferne, Unbekannte zum entscheidenden Stimulans. Das Material, auf das sie zurückgreift, sind »außer Kurs« geratene Aufnahmen des ersten Mars Rovers. Der Mars besitzt eine erkennbare, eigene Morphologie. Die Oberfläche des Roten Planeten besteht aus Sand. Die von tiefen Vulkanen zerfurchte »Haut« des Planeten tränkt Kropshofer mit Farbe und diszipliniert die organisch wirkende Materie in strenge geometrische Formen. Manchmal lässt sich die Vorlage nur noch erahnen, da sie mehrfach benetzt oder opak überstrichen wurde, bis sie fast verschwunden war. Die Bilder erhalten ihre oszillierende Spannung durch die ineinander verwobenen Farb– und Stoffschichten.
Erst bei näherem Hinsehen erkennt man die subtilen Farbmodulationen, die sanft schwingenden Flächen warmer Hauttöne, das geheimnisvoll glühende Feuer am Rand des Bildes. Das zarte Blau des Marshimmels jedoch verschatten scharf geschnittene und blutrot getränkte Bergformationen.
In der Verschränkung unterschiedlicher Sinn– und Zeitebenen knüpft Monika Kropshofer an die Formensprache ihrer frühen Bilder an, ihre Ästhetik erschließt sich im vergleichenden Sehen. Sie setzt ganz, so scheint es, auf die Relativität und Simultaneität unserer Wahrnehmung.
Die geistige Zündkraft ihrer Bilderfindungen, ihre Freude am Fragment, führt eine auf Konstanten zielende Ästhetik ad absurdum.
Mit ihren neuen Arbeiten inszeniert Monika Kropshofer das Verschwinden des Objekts.