Sequenzen 1-5
Ricarda Geib, 2008
Die Kunst von Monika Kropshofer ist die Kunst des Dialogs: Fotografie und Malerei, Präzision und Entgrenzung werden in doppelbödigen Kompositionen miteinander verwoben, inszenieren den Sturz des Realen. Die Künstlerin operiert mit dem abgründigen Antagonismus expansiver Farbe und restriktiver Struktur. Ihre ästhetische Strategie zielt auf Dichte, Spannung und Prägnanz. Sensible fotografische Beobachtung und gezielter Farbeinsatz sind Kennzeichen ihres künstlerischen Schaffens. Das konzeptuell angelegte, doch von intuitiven Entscheidungen bestimmte Werk verweist auf ein hohes Maß an Reflektion.
Fotografie ist der Ausgangspunkt ihres Sehens. Mit der Kamera archiviert Kropshofer Motive und Strukturen. Bilder – Motive – sammelt Kropshofer auf Reisen. Sie unternimmt weite Reisen. Sie reist gerne. Fotografieren ist Reisen, ist Suchen, Wandern des Blicks. Aus dem visuellen Kontinuum der Welt löst das gleitende Auge der Kamera jedoch immer nur ein Fragment. Fotografie schneidet ein kleines Fenster in unsere Wahrnehmung.
Verfremdete Fotografie? Anverwandlung von Fotografie durch Malerei? Die Kunstwerke von Monika Kropshofer sind Unikate – Gemälde. Es ist möglich, auf jedem Untergrund zu malen. Ihre Basis sind großformatige Abzüge der eigenen Fotografien. Auf diese legt sie manuell Farbe, Acryl, transparent in zarten Lasuren oder deckend, bis das Motiv entschwindet.
Sensibel berührt, öffnet, dehnt und verletzt Kropshofer die hermetisch geschlossene Oberfläche der Fotografie mit der suggestiven Kraft reiner Farben. Instrument und Träger des Ausdrucks sind breite Farbbahnen und sich schneidende Linien, die sie einsetzt, um die Gegenstandswelt ihrer Fotografien in raffiniert ausbalancierten Kompositionen sanft zu brechen.
In einer Haltung absoluter Strenge gegenüber dem Medium der Fotografie, das sie souverän beherrscht, arbeitet Kropshofer ausschließlich mit natürlicher Beleuchtung und lehnt jede Manipulation am Bild ab: keine Retusche, keine Bearbeitung am PC. Ihre Motive reichen vom Profanen bis zum Erhabenen, vom einfachen norddeutschen Backstein bis zum kolossalen Tempel in Rom.
An der vietnamesischen Küste (Sequenz 1) beobachtet Kropshofer das subtile Spiel von Licht und Schatten, das die Formen wechselseitig verschwimmen oder dunkel und scharfkantig hervortreten lässt. Die Mehrfachbelichtung taucht die Küstenkulisse in eine mystisch aufgeladene Stimmung. Im spannungsvollen Spiel der verschobenen Felsformationen durchfahren blaue, grüne und rote Farbstrahlen das Bild blitzartig. Schwere, glühende Farbbalken bilden einen zweiten Horizont. Ein heller Lichtstreifen durchbricht die Farbwand visionär.
Monika Kropshofer setzt Farbe mit großer Experimentierfreude ein. Sie begreift Farbe als Stoff, als Körper. Flächigkeit kippt in Räumlichkeit um, ausgehebelt scheint das Verhältnis von Figur und Grund. Oben und Unten verkehren sich in Nähe und Ferne – ein geradezu utopischer Landschaftsraum entsteht.
Mit spielerischer Leichtigkeit durchdringen sich Natur und Architektur in Sequenz 2 . Auf die Fassaden modernen Bauens einer europäischen Metropole legt Monika Kropshofer das Bild des sommerlichen Parks. Das satte Grün, die herrlichen alten Bäume mit ihren ausladenden Ästen, die einen umfangen, ist Täuschung, zauberhafte Spiegelung an einer nackten Fassade. Hier greift Kropshofer ein: zeichenhaft bedeckt sie die spiegelnden Fenster mit alternierend roter und weißer Farbe und verwandelt die horizontalen Fensterwände in virtuelle Markisen. Systematisch sucht Kropshofer das Subversive. Ein Querformat zeigt leuchtend grüne Streifen, die straff von Bildrand zu Bildrand laufen. In einem fast surreal wirkenden Spannungsfeld zwischen Raum und Fläche schieben sich die glatten Streifen hinter rostige Eisenstäbe, scheinen, wie von Zauberhand, das schwere Gitter aus seiner amorphen Verankerung zu lösen.
Beispielhaft verdichten sich in Sequenz 3 Kropshofers künstlerische Mittel und Methoden, wird die Virtuosität ihrer „Sprache” offenbar. Thema ist der historische Sakralbau, Hauptmotiv die Säule, monumental und antik, mitunter faschistisch. Ein marmorner Rundtempel wird von sphärischem Blau umschlossen, ihm ist der Boden entzogen, er schwebt in flachem Farbraum. Die menschenleeren Tempelräume sind nicht faßlich. Anziehungskräfte und Distanzierungsimpulse wirken gleichermaßen. Rote und blaue Farbfelder schieben sich zwischen hohe Säulenreihen einer antiken Front, dehnen sich pulsierend aus, scheinen die kolossalen Säulen zu bedrängen, zu durchbrechen, zu stürzen, treiben ein Spiel. Monika Kropshofers abgründige Syntax setzt antike Ordung außer Kraft.
Mit graphischen Strukturen bespielt Monika Kropshofer die Fassaden von Hongkong (Sequenz 4) und entlockt den gesichtslosen Bürotürmen Momente beunruhigender Schönheit. Kostbar leuchtendes Gelb durchbricht die kalten Blautöne des Fensterglases. Warme Farbhäute umschließen die nackten Fassaden. Vertikal verlaufende Farbstreifen verweben sich zu rhythmischen Geflechten, durchbrechen architektonische Ordnung, täuschen über Abgründe hinweg. Perspektivische Konturen zerbechen, oder enden anarchisch innerhalb vermeintlich logischer Struktur. Im Taktschlag der Streifen scheinen diese Bilder wie ein Bruch, ein Riss in der Welt des materiell Sichtbaren.
Durch Isolation und Vergrößerung verfremdet Kropshofer ihre Sujets in Sequenz 5. Sie entwickelt hierbei mitunter abstrakte Formenpotentiale, verwandelt lapidare Bildmotive in fast surrealistisch anmutender Fetischierung in geheimnisvolle „objets trouvés”. Die enigmatische Unmittelbarkeit ihrer Nahaufnahmen sensibilisiert uns für die Stofflichkeit der Dinge. Backstein, durch scharfes Brennen gehärtet und wetterfest gemacht, ist ein unscheinbarer, aber traditionsreicher Baustoff. Über den schnurgerade im Mauerverbund verlegten Steinen kreuzen sich scharf geschnittene, glatte Farbmembrane, ergeben dynamische Farbspiele und markante Klänge. Die Patina des rötlichen Steins steht in Kontrast zur leuchtenden Ordnung der Farbbänder. Sie suggerieren eine Perspektive, eine Räumlichkeit, wobei die vermeintliche Rationalität ihrer geometrischen Formation die fundamentale Unerklärlichkeit des Bildes verstärkt.
Kropshofer befreit die Fotografie aus ihrer Selbstbezüglichkeit. Fotografie und Malerei im Dialog? In einem spannungsvollen „crossover” hinterleuchtet die Künstlerin gleichsam beide Medien und schlägt daraus ästhetisches Kapital. Die Grenzen von Wirklichkeit und Fiktion entgleiten, Materielles wird immateriell aufgehoben.
Die Welt – so zeigen es uns die virtuosen Kompositionen von Monika Kropshofer – ist ein Enigma. Geheimnisvoll und erschreckend schön.